2011 ging der Studienrat Edgar Werner Müller in den Ruhestand. Um von dort aus aber eine Alterskarriere mit Lehraufträgen an der Universität von Wuhan zu krönen. Dem Gastdozenten von der Saar wurde allerhand daher gemacht.
In seiner Wiebelskircher Heimat nennt man ihn, nicht zuletzt wegen seiner Sprach- und Landeskenntnisse "den Engländer". Treffend wäre allerdings auch der Titel "der Chinese", denn der 67-jährige Edgar Werner Müller hat es im Großreich der Mitte zu einer famosen Spätkarriere als Gastprofessor gebracht. An der renommierten Universität der Zentralstadt Wuhan dozierte der Saarländer vor wenigen Wochen über zwei Themen, die ungleicher nicht sein konnten: Aufbau und mögliche Konstruktionsfehler der Europäischen Union sowie über die Unterscheidung von guten und schlechten Gedichten.
Wie Müller berichtete, sprach er in Englisch und Deutsch und hatte jeweils Hunderte aufmerksame und wissbegierige Zuhörer, denen sogar Details aus der saarländischen Geschichte im Zusammenhang mit der europäischen Einigung bekannt gewesen seien. Müller genoss auch außerhalb der Hochschule großen Respekt, wohnte in einem sehr guten Hotel und wurde zu zahlreichen Besuchen und Banketten eingeladen.
Edgar Werner Müller verdankt die späte Berufung einer Art Casting, wie man es aus der Filmbranche kennt. Der Studienrat für Deutsch, Erdkunde und Politik am Saarland-Kolleg ("Abendgymnasium am Tage"), Experte für den Vergleich politischer Systeme, Förderer der Kunstsprache Esperanto sowie Mitarbeiter der saarländischen SPD in Bildungsfragen war seit 1986 mehrfach in China gewesen und interessierte sich seit Langem für den Reformprozess in dem Reich. Als die deutsch-chinesische Gesellschaft einen Referenten suchte, dem die östliche und die westliche Sphäre gleichermaßen nahestehen, fiel die Wahl auf ihn. Dass Edgar Werner Müller überdies ein sprachmächtiger Redner ist, mag den Ruf an die ferne Uni zusätzlich beflügelt haben.
Müller würde jedem China als ein "wunderschönes Reiseland" empfehlen, es sei allerdings auch ein Land der Extreme, mit viel Armut im Inneren und explosionsartiger Entwicklungspolitik. Die Stadt Wuhan habe 1986 noch “wie Neunkirchen“ ausgesehen, heute habe sie über vier Millionen Einwohner und sei eine Mischung aus US-Metropole und nachgemachter Hamburger Altstadt.